savages

oliver stone, USA 2012
während der sichtung hat mir der film zunächst mal gut gefallen – eine frau, die mit zwei männern zusammenleben kann und dabei nicht als dummes flittchen dargestellt wird… zwei recht ansehnliche männer, zwischen denen mir die entscheidung auch schwerfiele… eine frau, die ein ebenso harter knochen wie jeder mann in ihrer position ist und dem vorurteil einer zu weichen hand ins gesicht lacht… der film besteht sogar den bechdel-test, weil er mit o und elena zwei frauen mit ähnlichkeiten und unterschieden aufeinandertreffen lässt, die einen größeren lebensentwurf haben als „den richtigen mann zu finden“. auch wenn ihre handlungen dennoch zum großen teil von männern abhängig sind (elena führt das geschäft ihres mannes weiter, der ihr einziger liebhaber war und blieb, auch nach seinem tod, o suchte nach dem college-abbruch ein echteres leben, hat dieses jedoch als „einfache arbeiterin“ bei zwei wesentlich prominenter agierenden männern gefunden), so sprechen sie doch zumindest auch n0ch über andere dinge…
naja, jedenfalls als actionfilm mit halbwegs ausgeglichener geschlechterrepräsentanz hat mir der film also zunächst mal gut gefallen.
dann habe ich heute morgen noch mal intensiver über die frauen o und elena nachgedacht, und da kriegte das doch eher so einen bitteren beigeschmack. welche entwürfe von frauenfiguren werden da gegenübergestellt? die attraktive mutterfigur, die sich hingebungsvoll und immer sexuell nicht nur verfügbar, sondern sogar aggressiv um die beiden männer kümmert (und, mal mit meinen erfahrungen aus der realität abgeglichen: was für ein albtraum, sich ständig um zwei kiffer zu kümmern!! einer allein hat mich schon schier in den wahnsinn getrieben… und der sex leidet m.e. auch eher unter dem konsum) auf der einen seite. auf der anderen seite die frau, die jede sexualität negiert (weil eine beruflich erfolgreiche frau sexuell bedrohlich ist?) und am ende von den männern, die ihr unterstehen, hintergangen und bestraft wird – sogar der eklige fiese vergewaltiger und schläger darf überleben und sogar – perfidie! – ihren platz einnehmen.
aber es ist oliver stone, also ist die frage nötig: sexistische darstellung der welt oder darstellung der sexistischen welt?! ist oliver stone ein chauvi, der die frau als heimchen am kifferherd sehen und jede ambition nach „männlicher“ macht bestrafen will? oder lässt er elena deshalb in den knast wandern, nicht, weil sie eine frau, sondern ein drogenboss ist? immerhin gönnt er ihr so etwas wie eine versöhnung mit der lang vermissten tochter…
es ist schwer, die darstellung von frauen nicht als beurteilung von frauen zu sehen. uncertainty is driving me nuts.
eine neutralere review hat mein mann geschrieben.

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Oliver

Auch wenn ich den Schluss noch nachholen muss:
1) O. habe ich nicht als Mutterfigur gesehen. Klar, sie sagt zu Beginn, dass sie den beiden Männern eine „Heimat“ gebe und sie erdet die beiden Getriebenen natürlich. Aber sie schildert sich ja selbst als Suchende. Die Weisheit und Distanz, die die Mutterfigur braucht, fehlen ihr, ihre Faszination für die beiden ungleichen Männer ist zu groß.
2) Der Albtraum, sich um zwei Kiffer kümmern zu müssen, wird bei ihr vermutlich dadurch abgemindert, dass sie selbst ziemlich abhängig von der Tüte ist. 😉
3) Ich finde nicht, dass La Reina Sexualität „negiert“. Dagegen spechen sowohl ihre Inszenierung, die durchaus erotisch aufgeladen ist, als auch die Besetzung mit Salma Hayek. Sex verträgt sich einfach nicht mit ihrer Machtposition. Der Verzicht ist eine bewusste Entscheidung, die es ihr ermöglicht, ihr Geschäft mit voller Härte zu führen. Das hat natürlich etwas damit zu tun, dass sie eigentlich einen Männerjob macht (und die Nicht-Verfügbarkeit lädt ihre Figur überhaupt erst erotisch auf). Um sich in ihrer Branche zu behaupten, muss sie eben doppelt grausam sein. Dass sie Opfer von Intrige und Verrat wird, hängt nicht unbedingt mit ihrem Geschlecht zusammen. Könige und Königinnen müssen immer mit dem Putsch rechnen. Das ist ja der Gang der Welt, von dem Stone da erzählt. (Auch La Reinas Mann wurde ja ermordet.)
4) Ich würde trotzdem nicht ausschließen, dass Stone ein Chauvie ist. Er ist ein Männerfilmer jenseits der 60 und als solcher sicherlich empfänglich für eine gewisse Altherren-Erotik.
Das grundsätzliche Problem, das ich bei solchen Texten habe: Warum muss man die Figurenliste in Männer & Frauen teilen? Warum kann man nicht Vergleiche zwischen Individuen ziehen, die unterschiedliche Eigenschaften haben?

zorafeldman

1) mutter ist vielleicht zu kurz gegriffen – aber ihre funktion besteht darin, die beziehung zwischen den beiden (nicht schwulen) männern zu katalysieren. dadurch ist ihre figur absolut von den männern bedingt.
2) da hast du sicher recht.
3) aber ein mann in ihrer position tut das absolute gegenteil: ein mann so weit oben vögelt so viele frauen wie nur möglich, weil es seine übermacht zementiert. frauen sind also statussymbol bei mächtigen männern, aber bei mächtigen frauen sind männer – schandflecken? fehltritte? schwachstellen? es zeigt sich hierin doch, dass eine frau nicht „feminin“ im sinne von sexuell aktiv sein kann und gleichzeitig auch in anderer hinsicht erfolgreich. warum verträgt sich bei frauen sex nicht mit der machtposition? weil bei frauen sex immer etwas mit gefühlen zu tun haben muss? weil eine frau durch sex an macht verliert? sicher, die inszenierung und ihre unantastbarkeit geben ihr eine erotische aura, aber ein ausgelebtes sexualleben würde ihr offenbar den respekt entziehen. das ist ja nun wirklich ein sehr deutlicher unterschied zur charakterisierung eines mannes in der gleichen position. (erinnert mich übrigens an katharina die große, die erfolgreiche regentin und sexuell aktiv war. zum lohn wurde behauptet, sie würde sogar mit ihrem pferd schlafen. weil erfolgreiche menschen, die auch frauen sind, irgendwie abnorm sein müssen…)
4) gut, dann ist meine deutung wohl nicht überkritisch, sondern im gegenteil auf den punkt.
was die grundsätzliche kritik angeht: du weißt, ich bin mir der problematik bewusst, dass es „den frauen“ eigentlich kaum recht gemacht werden kann, denn jede trope ist ein klischee, das in irgendeiner form „misogyn“ ist – da macht eben auch die dosis das gift. aber erstens ist ja klar, dass ich mich hier eben genau damit befasse, und zweitens habe ich nun mal heute morgen bei meinem gedanken „eigentlich hat mir der film gut gefallen“ darüber nachgedacht, warum. und da spielt für mich als frau auch eine rolle: wie kann ich mich mit den frauen im film identifizieren – wenn ich einen film gut finde und er frauen nun auch überhaupt so ins geschehen einbringt. bei jedem 80er-action-klopper, wo ich weiß, dass die pommeslocken-freundin zu nix anderem gescriptet ist als als outlet für den gebrochenen helden, frage ich schon gar nicht nach ihrer charakterisierung.
oliver stone setzt hier aber eben sehr prominent zwei frauen ein – und er setzt sie nicht als geschlechtsneutrale individuen ein. die männer auch nicht: lado der vergewaltiger funktioniert zb. auch nur als mann. die geschlechtliche positionierung spielt für die handlung eine rolle – die mutter-tochter-beziehung zwischen elena und o bzw. elena und ihrer tochter ist ja ziemlich wichtig für den plot und deutlich unterschieden zu einer vater-tochter-beziehung (zwischen elena als mann und o würde wohl kaum diese beziehung aufkommen, sondern eher eine sexuell konnotierte…).
ob ein film „gute“ frauenfiguren zeigt, ist für mich schon daran gemessen: spielt das frau-sein in diesem fall eine rolle (ripley in alien ist deshalb so toll als frauenfigur, weil sie nicht als frau gescriptet wurde, sondern als neutrum… http://www.themarysue.com/10-characters-whose-genders-were-swapped-in-production/)? und wenn es eine rolle spielt: welche konsequenzen ziehe ich aus dem, wie sie ist und welche folgen ihre charakterisierung für sie hat – mithin: wenn meine tochter diesen film sieht, welche schlüsse könnte sie aus dem gesehenen ziehen für ihre „frau-werdung“? und da ist der knackpunkt. elena zeigt uns, dass frauen auf sex verzichten sollten, wenn sie in hoher hierarchie-position anerkannt werden wollen (im gegensatz zu männern, die stattdessen so viel sex wie möglich haben sollten) und im schlimmsten fall werden sie dann noch immer für ihre „anmaßung“ bestraft. o zeigt uns, dass für frauen das glücklichste leben dort zu finden ist, wo sie männern ein heim bietet, ihnen als katalysator dient und keine eigenständigen handlungen ausführt. dass eine glückliche frau, eine erfüllte, ja sogar eine erfolgreiche frau also die ist, die einem mann „dienen“ kann.
und o darf noch nicht mal rache an ihrem vergewaltiger nehmen. nein, nach ein paar wochen am strand hat sie dieses trauma sogar offenbar schon verwunden. ich könnte mir vorstellen, dass sich das sexualleben dieser dreiecksbeziehung sehr verändert nach dem, was ihr geschehen ist…
kurz: nichts wäre mir lieber, als wenn ich individuen in filmen nur als solche wahrnehmen könnte und ihre geschlechter keine rolle spielen würden. aber erstens wären das auch keine filme mehr, die du dir ansehen würdest, und zweitens ist das einfach realitätsfremd. es ist ja auch nichts falsch daran, männer als männer und frauen als frauen zu charakterisieren – nur WIE, das ist die krux. ich will mir nix anmaßen, aber eine story, in der la reina auch sexuell aktiv wäre – in einem normalen maß, mit einem neuen mann an ihrer seite, der wie sonst die ehefrauen im hintergrund bleibt, nicht gleich wieder als männermordende venusfalle – und die eine auflösung erfährt, in der la reina in ihrer machtposition bleiben darf, sich nur in dieser schlacht geschlagen geben müsste, hätte mir dann besser gefallen. dann hätte ich auch mit o’s lebensentwurf leben können, denn selbstverständlich finde ich, dass jeder mensch glücklicher ist, wenn er in beziehung lebt. und wie gesagt, eine dreicksbeziehung, die so funktioniert wie diese, würde ich auch nicht ablehnen…

zorafeldman

noch etwas zu 3): a) doppelt grausam sein auf der einen und eine sexuell aktive frau auf der anderen seite müsste isch m.e. nciht widersprechen. und b) dass ihr „ende“ eines ist, das geschlechtsunspezifisch ist, weil in diesen hierarchischen strukturen machtentzug und revolte dazu gehören, würde ich noch akzeptieren. dass eine frau aber erotischer wird, weil sie keinen sex hat, während männer angeblich immer attraktiver werden, je mehr sie sexuell aktiv sind, ist allerdings etwas, was ich durchaus nicht schlüssig finde.

Oliver

Elena bewegt sich ja nicht in einem luftleeren Raum. Natürlich ist sie als Frau ein Außenseiter, ein Exot in ihrem Geschäft –- noch dazu als Mexikanerin aus einer Kultur stammend, in der der Machismo eine große Rolle spielt (vielleicht auch nur ein Klischee). Wie dort das Verhältnis zwischen Männern und Frauen ist, sieht man ja daran, wie Lado seine Ehe führt: Seine Frau ist nur so lange gut, wie sie ihm gefügig ist. Erfüllt sie diese Rolle nicht mehr, wird sie entbehrlich.
Sie muss als Frau doppelt vorsichtig sein, um ihre Stellung zu wahren, aber auch doppelt aggressiv, weil sie immer gegen das Vorurteil ankämpfen muss „zu soft“ zu sein. Denke auch daran, was Lados effeminiertem Wachhund passiert: Er wird lapidar erschossen, weil er „zu sensibel“ ist.
Wenn du Stone schon als politischen Filmemacher identifizierst, solltest du respektieren, dass er die Unterschiede, die du zu Recht kritisierst, weil sie nun einmal existieren, in seinen Filmen nicht zugunsten einer Genderutopie, in der alle gleich sind, nivelliert, sondern sie eben zeigt.
Nach mehreren Tagen nachdenken und -lesen darüber, worum es in SAVAGES zentral eigentlich geht (das ist bei diesem Film weitaus schwieriger als bei nahezu allen anderen Filmen Stones – wahrscheinlich mag ich ihn deshalb ganz gern), bin ich zu dem Schluss gekommen, dass genau das das Thema ist: Unterschiede zwischen Klasse, „Rasse“ und Gender lassen sich leider Gottes nicht aufheben. Chon und Ben mögen in der selben Branche tätig sein wie Elena und Lado, ihr Background ist aber ein gänzlich anderer. Sie sind Emporkömmlinge, sozial begünstigt, ihr „Beruf“ ist eine Art Hobby, dass sie überlegen aufzugeben, als sie genug Geld gescheffelt haben und sie beginnen, die Lust zu verlieren. Diese Freiheit haben Lado, Elena und Konsorten nicht. Sie sind dem Geschäft mit Leib und Seele verschrieben.
SAVAGES handelt m. E. nach von der Arroganz dieser Begünstigten. Sie riskieren wenig, gewinnen viel und graben damit Menschen das Wasser ab, für die dieses Geschäft eben nicht bloß ein willkommener Zeitvertreib ist. Das ist ja auch der Unterschied zwischen O., die den Kick und den Wohlstand genießt, das Leben mit den Dealern als Selbstfindungstrip betrachtet, und Elena, die weiß, dass sie irgendwann untergehen muss – und dabei noch nicht einmal Spaß haben darf.

zorafeldman

ich komme ja auch nicht unbedingt zu dem schluss, dass der darstellung dieser frauen notwendig auch eine beurteilung von richtig und falsch ihrer lebensweise immanent ist – ich selbst weiß nicht, ob es die darstellung einer sexistischen welt ist oder die sexistische darstellung der welt. dennoch ist das keine frage, hinter der sich dann sexismus verstecken können sollte.
es wohnt dem eben doch ein bisschen inne, dass eine sexuell aktive frau in einer hohen position in der hierarchie – im gegensatz zu einem solchen mann – mit dem sex eine schwäche statt einer stärke aufweist. das wird nicht so thematisiert, dass ich das gefühl habe, hier wird diese wahrnehmung kritisiert, sondern eher perpetuiert.
mich interessiert aber gemeinhin auch nicht unbedingt, finite schlussfolgerungen zu ziehen, sondern eben überhaupt die überlegungen darüber anzustellen und anzuregen: wie werden frauen dargestellt – und ist das realistisch, begründet oder kritisch? also: darüber nachzudenken, ob oliver stone selbst seine drogenkönigin bestrafen will und sich nicht vorstellen kann, dass sie als frau in männerposition auch sexuell aktiv sein könnte – oder ob er eben nur zeigt, wie solche genderklischees in kulturen und individuellen biographier zum tragen können. über das klischee an sich nachzudenken, finde ich fast wichtiger als herauszufinden, ob der film der bote oder der absender ist.

Oliver

Ich finde, die erste Frage, die man sich stellen muss, ist die, ob die Figur so, wie sie dargestellt wird, glaubwürdig, konsequent oder schlüssig ist. Erst dann kann man auf die nächste Ebene springen.
So finde ich etwa, dass La Reina so wie sie gezeichnet wird, genau richtig ist. Die Selbstgeißelung, die sie betreibt, fügt sich ins Bild. Sowohl in das „soziale“, das eine bestimmte Autorität von ihr voraussetzt, die ihr als Frau in einer Männderdomäne eben nicht per se zukommt, sondern die sie Tag für Tag konsolidieren und unter Beweis stellen muss, als auch in das „psychologische“, weil sie etwa mit sich selbst als Mutter hadert – und den Tod ihres Gatten offensichtlich nie wirklich verwunden hat.
Das kann man bestimmt auch anders sehen. Aber bevor man eine Filmfigur zum Anlass nimmt, Ideologiekritik zu betreiebn, muss man sich m. E. erst die Figur „filmimmanent“ anschauen und anschließend wahrscheinlich Kenntnisse über das soziokulturelle Terrain erlangen, in dem sie sich bewegt. Ich glaube, Angehörige eines mexikanischen Drogenkartells ticken etwas anders als wir. Frauen- und Männerrollen sind in anderen Ländern anders verteilt. Die Ideologiekritik, die du übst, hat das Problem, dass sie eine konkrete Figur nur noch als Symptom betrachtet, als Ausdruck gesellschaftlicher Phänomene.
Bei dir klingt das dann immer nach Kritik am Film, anstatt als Kritik an den Umständen, die der Film schildert. Das ist so ähnlich wie mit der Diskussion über Gewaltverherrlichung, die wir vorgestern anlässlich des Bonusmaterials von TCM hatten. Ein Regisseur, der abscheuliche Taten zeigt, befürwortet diese nicht zwangsläufig auch.
Ein Film muss auch nicht alles, was man sieht, offen thematisieren. Jemand, der mich zum ersten Mal trifft, bekommt von mir auch kein Handbuch, in dem ich ihm meine Biografie schildere, damit er mich versteht. Ich verstehe mich ja selbst nicht immer.

zorafeldman

wir reden gerade aneinander vorbei, glaube ich. ich thematisiere selber die schwierigkeit zu unterscheiden, ob ich den film gut finde trotz, wegen oder völlig unabhängig von der unkenntnis, ob oliver stone die welt so will, so sieht oder so kritisiert. insofern betreibe ich keine ideologiekritik, würde ich mir gar nicht anmaßen.
ich sage auch nicht, dass die figuren nicht schlüssig sind, noch weniger, dass der film qualitativ schlecht sei aufgrund der charakterisierung seiner figuren.
ich mache nur die beobachtung, und du hast diese beobachtung nicht nur geteilt, sondern erweitert, dass la reina unter anderem deshalb keinen sex hat, weil ihr als frau in ihrer position diese „weiblichkeit“ als schwäche ausgelegt würde. und dass o ihr glück in einer beziehung findet, wo sie weniger als persönlichkeit als als funktion für die beziehung der beiden männer ihre berechtigung findet, nämlich als katalysator für die nicht homo-, aber durch sie eben doch sexuelle beziehung der beiden männer zueinander. ich würde mich sogar so weit aus dem fenster lehnen zu interpretieren, dass die beiden nicht wegen os gutem herz und hervorragender küche die ganzen risiken für sie eingehen, sondern weil sie im grunde wissen – und je länger es dauert, umso deutlicher wird das – dass ihre beziehung zueinander nur funktioniert, so lange o ihre sexuelle energie auf- und ideologische gegensätze abfängt.
dass ich den film im ersten moment mochte und auch nach den fortgeführten überlegungen nicht als schlecht empfinde, ist davon unabhängig, dass ich mich frage, ob diese unterschiede zwischen den geschlechtern im film normativ oder deskriptiv sind. und auch mit dieser frage unbeantwortet, kann ich mir ja gedanken machen über die unterschiede, die offensichtlich zwischen männer(n)- und frauen(figuren) herrschen.
kritisch bin ich weniger gegenüber dem film – weil mir die intention weder bekannt ist noch sie eigentlich eine rolle spielen sollte – als eben gegenüber der welt, die dargestellt ist, so realisitisch sie ist – oder gerade, weil sie realistisch ist. das gleiche kann ich ja z.b. über RAMBO sagen – wenn ich sage, die welt, in der der film spielt, ist aber scheiße, ist das nicht das gleiche wie zu sagen, dass der film scheiße ist.
und schließlich könnte ich auch sagen: ich reduziere die figure nicht auf ein symptom, wie du behauptest, sondern nehme nuancen an ihr wahr, die für dich keine rolle spielen. dass sie das nicht tun, ist legitim, aber mir fällt eben – gerade aufgrund ihres erotisierten mise-en-scene – auf, dass la reina keine sexuellen beziehungen hat und warum. diese beobachtung meinerseits dürfte ebenso legitim sein wie eine psychologisch, sozialkritisch oder ethnologisch orientierte beobachtung eines anderen zuschauers.
und ja, ein film muss nicht alle aspekte seiner dargestellten welt thematisieren und stellung zu einem richtig oder falsch beziehen. das ist aber kein grund, jedwede beobachtung dieser aspekte zu unterlassen oder zu verschweigen, bloß weil der film das nicht tut. denn ganz zum schluß ist die darstellung im film eben auch: geplantes künstlerisches produkt, und es läßt sich weder verhindern, dass bestimmte zeitgemäße auffassungen oder annahmen in die von einem oder mehreren menschen erdachte welt einfließen, noch dass die rezipienten mit dem fertigen produkt machen was sie wollen. jörg buttgereit hat nicht selbst an die leichenbilder aus dem zweiten weltkrieg gedacht – er kann aber auch nicht verhindern noch endgültig abstreiten, dass jemand diese verbindung herstellen kann und tut. auch diese beobachtung oder interpretation hat ihre daseinsberechtigung.
kurz: wenn es dir magengrimmen bereitet, dass ich beiträge zu filmen vornehmlich auf ihre weiblichen charaktere und meine überlegungen zur welt, in der sie leben, in der wir leben oder in der wir leben sollten hin konzipiere, dann tough luck. 🙂

Oliver

„Magengrimmen“ wäre wohl zu viel. Ich habe dich tatsächlich missverstanden, weil ich dachte, deine Kritik richtet sich gegen den Film (oder Stone).

zorafeldman

da ich nicht ermitteln kann, ob und wenn, welches urteil über die dargestellten verhältnisse gefällt wird – vom skript oder von oliver stone – möchte ich lieber nicht den film in der hinsicht kritisieren. nur anmerken, dass ich das dargestellte bemerkenswert und, ob normativ oder deskriptiv, kritikwürdig finde.
als film an sich verliert savages dadurch für mich nicht.

Antworten Doch nicht

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